Mehr Infos gibt es hier.
Schlagwort-Archive: Neuigkeiten
Ein Sommer urkomischer Dinge
Mein Lieblingsbuch in diesem Sommer: „12 Things to Do Before You Crash and Burn“ von James Proimos. Das mit dem englischen Titel auf dem von mir ins Deutsche übersetzten Buch hat durchaus seinen Sinn: So temporeich und kraftvoll kann man im Deutschen nicht beschreiben, was das Buch ausmacht. Herc, der Held dieses kurzen Romans ist für den Rest der Ferien zu seinem Onkel nach Baltimore verfrachtet worden. Und der hat nichts Besseres zu tun, als ihm eine Liste mit 12 Aufgaben aufs Auge zu drücken, die Herc gefälligst bis Ferienende abarbeiten soll. Dabei interessiert den Jungen doch eigentlich nur eins – Schöne-fremde-unerreichbare-Frau wiederzufinden. Das Ganze ist in fast poetischen Vignetten erzählt, mit jeder Menge verrückter Details und grandiosen Momenten irrwitziger Komik. Erscheint am 1. Juli (bei Gerstenberg).
Monstermäßig gruseln
Endlich da! Und zum Gruseln schön. Mit nachts nachleuchtender Schrift auf dem Cover. In monstermäßigem Gespenster-Weiß. Das Bilderbuch „Zehn Gruselmonster“ der amerikanischen Autorin Carey F. Armstrong-Ellis ist eine neue Variante des klassischen Abzählreims à la „Zehn kleine …“ Wunderbar schaurig und furchtbar komisch. Für alle kleinen und großen Monsterfreunde. Für mich eines der schönsten Bilderbücher, die ich übersetzt habe. Erschienen bei Anette Betz.
Hier ein kleiner Blick ins Buch:
Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013
Auf der Leipziger Buchmesse wurden die Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 bekanntgegeben. Unter den nominierten Büchern in der Kategorie Kinderbuch ist auch der über 280 Seiten gereimte Roman „Zorgamazoo“ von Robert Paul Weston, den ich übersetzt und in deutsche Verse gebracht habe. Die Jury-Begründung findet ihr unter www.jugendliteratur.org.
Mundgerechte Kinderbücher
Zur Preußler-Debatte
In Christoph Meckels Erzählung „Dunkler Sommer und Musikantenknochen“ verbringt ein kleiner Junge die Sommerferien bei seinem Onkel Mononclegilbert, der eine große Bibliothek hat und darin ständig Pfeife raucht. Können wir bitte die Geschichte an dieser Stelle umschreiben, da ein rauchender Onkel für alle Kinder eine Zumutung ist und selbige auch gar nicht verstehen, dass Menschen je so etwas wie „rauchen“ getan haben?
Der Junge muss natürlich schrecklich benebelt sein, dass er in den Folianten, die der Onkel ihm zum Stöbern gibt (bitte Folianten streichen, da dieses Wort in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht mal von Onkeln und Tanten mehr verstanden wird, geschweige denn von Eltern), das Wort Ebénda, das er unter vielen alten Fotos entdeckt, missversteht und glaubt, es handle sich um den Namen einer grandiosen Stadt, die über Dutzende Kirchen, zahlreiche Burgen und Schlösser und etliche Marktplätze verfügt. Das Kind ist begeistert von dieser Stadt Ebénda und malt sie sich zu einer märchenhaft paradiesischen Wunder-Landschaft aus, bis die Sommerferien vorbei sind, der Pfeiferauch verzogen und die Welt wieder in Ordnung ist. Da fragt der Lehrer seine Schüler nämlich, wo sie denn im Sommer gewesen sind. Und das Kind antwortet nicht ganz selbstverständlich: in Ebénda. Und der Lehrer zerstört natürlich mit einem Satz die ganze Magie, wenn er sagt: „Das heißt ebenda und bedeutet ‚am selben Ort’.“
Wörter, die Kinder nicht – nicht mehr – kennen, sind eine Bereicherung ihrer Phantasie, Irrwege eingeschlossen. Wenn die Familie Otfried Preußlers den Ausspruch „die Schuhe wichsen“ löscht, um ihn durch irgendetwas aktuell Passendes zu ersetzen, werden wir eines weiteren Wortes beraubt – es ist wie beim Artensterben. Wozu? Gehen wir mal davon aus, dass nicht jedes fünf- oder sechsjährige Kind bei dem Wort gleich schmutzige Phantasien entwickelt, hat das Wichsen doch etwas deutlich Sinnlicheres, Hörbareres als „Putzen“ oder „Säubern“. Niemand „bohnert“ heute noch Parkett, aber muss deshalb das Wort in seinem übertragenen Sinne als „glänzend machend“ sterben? Und müsste es in seinem ganz realen Sinne bei Otfried Preußler auch gestrichen werden, wenn es dort zufällig irgendwo vorkäme?
Jedes Buch hat seine ganz eigene Sprache. Ein Buch, das in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts geschrieben wurde, ist durch diese seine eigene Sprache festgelegt und an Autor und Zeit gebunden. Niemand würde als Autor heute schreiben wie Otfried Preußler. Niemand würde Begriffe und Worte so wählen wie er. Niemand würde und könnte heute „Negerlein“ schreiben. Wenn er es täte, wäre er ein Rassist. Aber Otfried Preußler war alles andere als ein Rassist. Seine Romane stehen in ihrer Zeit und Preußlers Sprache ist von dieser Zeit geprägt.
Wenn uns die Zeit nicht mehr passt, müssen wir wohl oder übel beschließen, alle Wörter aus den Büchern zu streichen. Sie sind nicht mehr zeitgemäß. Weg damit. Danach können alle Erwachsenen, Eltern, Pädagogen und Verleger beruhigt ins Bett gehen. Die Welt ist gerettet. Oder doch nicht?
Warum sollen Kinder nicht ihre Freude an diesem Mononcle Preußler haben, warum sollen sie nicht in Folianten blättern und sich Wörter per Missverständnis erobern. Aber wenn dabei ein hässliches, ein unzüchtiges oder gar ein rassistisches Wort auftaucht? Tja, dann müssen wir als Erwachsene wohl oder übel noch mal aus dem Bett und dem Kind sagen, dass das ein Wort aus einer anderen Zeit ist, wie der ganze Text aus einer anderen Zeit ist, denn komischerweise gibt es in den Preußler-Büchern auch keine Handys oder gar iPhones. Ist das heutigen Kindern überhaupt noch zumutbar, sich eine Welt ohne Handys vorzustellen? Ich wette, irgendein modernes Kind hat nach der Lektüre eines alten Buches, das Tante und Oma ihm begeistert gegeben haben, schon die Frage gestellt: Wieso ruft dieser Depp in dem Buch nicht einfach zu Hause an? Schwupps, alles kaputt. Schnell Buchdeckel zuklappen und die Lettern (???) rieseln aus den Seiten.
Vielleicht wird so ein bisschen deutlicher, warum man auch Kinderliteratur immer so belassen soll und muss, wie sie geschrieben wurden. Ich hoffe es jedenfalls.
Und vielleicht noch ein kleiner Nachsatz, um den Eindruck zu entkräften, ich wäre mir nicht des verletzenden Inhalts eines Wortes wie „Neger“ bewusst:
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass die Fünf- oder Sechsjährigen, die Otfried Preußler (in der Urfassung) lesen, jene sind, die später dunkelhäutige Menschen als Neger verunglimpfen, sie zusammenschlagen und mit Füßen treten. Ich fürchte, es sind eher Leute, die niemals Otfried Preußler gelesen haben und nie die liebevolle Menschenachtung gespürt haben, die dieser Autor in seinen Geschichten verbreitet hat.