Gedicht des Monats August

Löwen auf Helgoland

Fuhr eine Möwe, die in Afrika
mal in der Wildnis einen Löwen sah,
als blinder Passagier auf ’nem Containerschiff
vorbei am Helgoländer Kliff.
So rot hatt‘ sie noch keinen Fels im Meer gesehen.
Da war es um die Möwe schnell geschehen.
Sie ließ sich vom Containerschiff
im Wind herüberwehn zum roten Kliff
und fragte all die Helgoländer Möwen
im Ober- und im Unterland,
im Hafen und am Klippenrand:
Gibt es hier wie in Afrika auch Löwen,
die brüllen, gähnen, in der Sonne schlafen?
Moin, sagten da die Lach- und Silbermöwen,
flieg doch mal rüber an den Dünenstrand,
dort liegen sie im Sand total entspannt.
Ob Löwe, Robbe oder Hund, tun sie nicht kund,
doch wenn sie gähnen oder lauthals brüllen,
im warmen Sonnenlicht die Lungen füllen,
dann hüte dich vor ihrem Schlund.

Lyrikausflug auf die Insel

Mitte Juni durfte ich für vier Tage nach Helgoland – zu einem Lyrikworkshop mit 18 Kindern und Jugendlichen aus Bremerhaven. Während die Schülerinnen und Schüler von Cuxhaven aus auf die Insel kamen, bin ich von Büsum aus hingefahren, weil ich gerade ganz in der Nähe (in Tönning an der Eidermündung) in Urlaub war. Überfahrt: wie auf Schienen. Kein Wind, kein Seegang, nur klare Sonne und das silbern glänzende Meer. Im Workshop sind schöne Gedichte entstanden, die Rolf Stindl vom Friedrich-Bödecker-Kreis des Landes Bremen nun in einem kleinen digitalen Privatdruck zusammenfasst, als Erinnerung für alle, die dabei waren. Überhaupt: Wenn der Stindl mit seinen 83 Jahren nicht noch immer so für die Literatur und dafür, sie Kindern schmackhaft zu machen, brennen würde, gäbe es das ganze Helgoland-Projekt nicht, das nun schon seit vielen Jahren läuft.

Für mich gab es auf Helgoland noch zwei ganz besondere Höhepunkte: zum einen meinen Gang auf die Außenmole des vorderen Hafenbeckens, die man jahrelang nicht betreten durfte (und ganz offiziell ist es heute wohl immer noch nicht), wo man völlig allein am Molenkopf mitten im Meer steht und eine absolute Ruhe genießen kann, denn es ist weit und breit kein Mensch zu sehen, nur Möwen, Austernfischer und Kormorane. Das Zweite war die öffentliche Abendlesung im Museum mit Helgoländern, Touristen und Workshop-Teilnehmenden. In der Pause kam ein zehnjähriger Junge aus dem Workshop zu mir und sagte: „Ich glaub es gar nicht, dass schon 25 Minuten um sind. Mir kam es wie fünf Minuten vor.“ Und am Schluss wollten alle aus dem Seminar, dass ich noch einmal mein Gedicht „Krähen“ wiederholte. Für mich zwei wunderbare Beweise, dass ich meine jungen Zuhörer erreicht hatte und bei ihnen das Staunen auslösen konnte, was man im Gedicht alles mit Sprache zaubern kann – kra kra!

Ein Lyrikabend auf Helgoland. Mit Sprachspiel und allerlei Nonsenstexten. Das Ganze unter dem Motto: Ein Rollmops rollt sich durch das Meer. Ein hoffentlich unterhaltsames Programm für Leute von der Insel und Kurgäste, für Groß und Klein. Für alle, die den Abend nicht vor dem Fernseher im Hotelzimmer verbringen wollen. Natürlich dürfen ein paar Gedichte von James Krüss an seinem Geburtsort nicht fehlen, aber vor allem geht es um Texte aus „Die Muße der Mäuse“ und meinem neuen Gedichtband „Der Name des Glücks“, der im Oktober bei Elif erscheint. Eine kleine Vorpremiere also mit vielen skurrilen und lustigen Versen übers Meer, über Möwen, übers Baden am Strand. Das Ganze findet statt am Sonntagabend, 18. Juni um 19.30 Uhr im Museum Helgoland an der Kurpromenade im Unterland (hinter dem Schwimmbad).

Troisdorfer Bilderbuchpreis für den Tiger

Am 2. September wird zum 24. Mal der Troisdorfer Bilderbuchpreis verliehen. Die Jury hat nun entschieden: Der 1. Preis geht an Susanne Kranz für ihre Zeichnungen zu meiner Geschichte „In meinem Rucksack wohnt ein Tiger“. Das Buch ist im letzten Jahr bei Sauerländer erschienen. In der Jurybegründung heißt es: „Mit ihren wenigen, immer wiederkehrenden Farben und kolorierten Umrisszeichnungen erschafft Sabine Kranz einen Tiger mit eher katzenähnlichem Äußeren, der angeblich in Bens Rucksack wohnt. Doch sehen wir als Leser*innen den Tiger immer wieder – und zwar außerhalb des Rucksacks. Die eher phantastische, da übergroße und teilweise durchsichtige Erscheinungsform des Tieres lässt dabei vermuten, dass der Tiger nicht real existiert. Tatsächlich bleiben Text-und Bildkonstellation sehr deutungsoffen und überlassen dem Lesenden zahlreiche Freiräume, die dazu einladen, selbst zu entdecken und zu interpretieren. Die zahlreichen Nebenszenen wiederholen Gleiches. Kurzum: Ein wunderbares, ästhetisch reizvolles Buch über Phantasie und Freundschaft, das durch seine Uneindeutigkeit in Wort und Bild zum aktiven Lesen motiviert.“ Schöner kann man unser Buch nicht beschreiben.

Der 2. Preis geht an Susanne Straßer für ihr Buch „Wenn Gott ein Kaninchen wäre“ im Herder Verlag, der 3. Preis an Bernd Mölck-Tassel für sein Bilderbuch „Wir Menschen“ bei Jacoby & Stuart. Nina Maria Drangmeister bekommt den Förderpreis für ihre Bilder zu dem bekannten Gedicht von Rainer Maria Rilke, „Der Panther“ Eine unabhängige Kinderjury entschied sich für das Buch „Was macht ihr denn da?“ von Alexandra Prischedko in der Edition Bracklo.