Lyrik in Corona-Zeiten 4

Noch ein Lyrik-Video auf YouTube. Diesmal hat mich der St. Michaelsbund gebeten, in diesen schwierigen Corona-Zeiten Kindern Gedichte nahezubringen, die ihnen Spaß machen könnten. Mit Claudia Pecher, die die Idee zur Lesung hatte, war ich mir schnell einig, Fußballgedichte zu lesen. Und so habe ich zehn Texte zum Teil aus Büchern, aber vor allem aus Blog-Beiträgen ausgewählt, die ich regelmäßig einmal im Monat für die Zeitschrift DAS GEDICHT zusammenstelle. Im Film vertreten sind Gedichte von Renate Buddensiek, Jan Koneffke, Michael Augustin, Barbara Maria Kloos, Arne Rautenberg, Wolfgang Oppler, Manfred Schlüter, Nils Mohl, Susan Kreller und mir. Aufgenommen wurde der Clip im Schwabinger Luitpoldpark, direkt bei mir hinterm Haus. Wer den kleinen Beitrag anschauen möchte, der hoffentlich nicht nur fußballbegeisterten Kindern Spaß macht, findet das Video hier.


Gedicht des Monats Juni

Das verrückte Orchester

Bashir spielt verstimmtes Klavier.
Cameron quetscht das Akkordeon.
Danuba spuckt in die Tuba.
Eika schrammelt die Balalaika.
Franjo hackt Banjo.
Gabriela trötet die Vuvuzela.
Hauke haut auf die Pauke.
Isabelle dängelt die Schelle.
Jette würgt ihre Klarinette.
Katrine rupft eine Mandoline.
Lotte strapaziert die Fagotte.
Margarete quält die Trompete.
Nikolas schrubbt am Kontrabass.
Orongo traktiert seine Bongo.
Paola zersägt die Viola.
Quentin zerdrischt das Tamburin.
Raffaello stümpert am Cello.
Sabine kratzt eine Violine.
Thorn tutet ins Horn.
Udgeru prustet ins Didgeridoo.
Veronika jault Mundharmonika.
Wilson prügelt das Xylophon.
Xara krächzt wie ein Ara.
Yorgel misshandelt die Orgel.
Zoë heult an der Oboe.

Und wer dirigiert,
fragen alle verwirrt?

Das ist der Anton,
denn der gibt den Ton an.

Gedichte mit Tradition

Das Gedicht „Dämmerung, April 2020“, das ich im Mai hier auf der Website als Gedicht des Monats vorgestellt habe, ist jetzt auch als Nummer 184 in der Rubrik „Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie“ im Blog der Zeitschrift DAS GEDICHT zu finden. Dort stellt der Dichter Jan-Eike Hornauer alle 14 Tage einen Lyriktext mit klarem Bezug zu einem bekannten älteren Gedicht kommentierend vor. „Gedichte mit Tradition“, so Hornauer, „ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Episode der von mir herausgegebenen Open-End-Anthologie.“ Zu finden ist das Gedicht, das auf den Expressionisten Alfred Lichtenstein Bezug nimmt, aber gleichzeitig das Leben in den aktuellen Corona-Zeiten anspricht, unter https://www.dasgedichtblog.de/gedichte-mit-tradition-folge-184-daemmerung-april-2020/2020/05/08/

Unter dem Datum 13. März findet sich als Folge 180 in der Reihe „Gedichte mit Tradition“ bereits das Gedicht „Der Panther“ aus meinem Band „Unsinn lässt grüßen“, das auf Rilkes wohl bekanntestes Poem Bezug nimmt, hier aber völlig absurd-ironisch.

Huckepack-Preis für ein Bilderbuch

Das Institut für Bilderbuchforschung der Universität Bremen und die Phantastische Bibliothek Wetzlar haben zum fünften Mal den Huckepack-Preis verliehen. Diesmal wurde das Bilderbuch „Adrian hat gar kein Pferd“ von Marcy Campbell und Corinna Luyken ausgezeichnet. Meine Übersetzung des amerikanischen Buches ist im cbj-Verlag bei Random House erschienen. Für die Autorin Marcy Campbell war es die erste Veröffentlichung und wohl auch der allererste Preis. Die Jury zeichnet regelmäßig Titel aus, die durch ihre Bildästhetik und Sprache überzeugen, Kindern zudem auch Halt und Weitsicht geben, sie ermutigen und sozusagen Huckepack nehmen. Über das Preisbuch in diesem Jahr, das unter 373 Titeln ausgewählt wurde, sagt Jurymitglied Elisabeth Hollerweger von der Uni Bremen: „Es ist ein zauberhaft gestaltetes Kinderbuch um Empathie und die Macht der Phantasie.“ Leider kann in diesem Jahr wegen Corona keine Preisverleihung im Bremer Rathaus stattfinden. Dafür gibt es jedoch einen Videoclip bei YouTube, in dem Cornelia Tillmanns den Text zu den Bildern des Buches liest. Zu finden ist der Clip unter https://youtu.be/M7HHfpI0qUc

Gedicht des Monats Mai

Dämmerung, April 2020

nach Alfred Lichtenstein

Ein dicker Junge spielt mit einem Teich.
Der Wind hat sich in einem Baum verfangen.
Die Menschen wirken plötzlich nicht mehr reich,
als wären alle Lampen abgehangen.

Die Schienen tragen leere Straßenbahnen.
Ein Mann steht maskenhaft vor einer Wand.
Im Bücherladen kann man Stille ahnen,
als wären die Romane schon bekannt.

Auf einem Gartentisch steht eine Vase,
wie wenn sie auf den Gruß der Tulpen hofft.
Am Fenster klebt noch eine Kindernase.
Ein Möwenschrei. Der Kirchturm schlägt zu oft.