Zehn Hunde im neuen GECKO

Alle zwei Monate erscheint eine neue Ausgabe der wunderbaren Kinderzeitschrift GECKO, die in München von Muriel Rathje und Anke Elbel herausgegeben wird. In der nun schon 89. Ausgabe für den Monat Mai findet sich auch – und gleich auf den ersten Seiten – „Die Geschichte von den zehn Hunden“. In zwölf gereimten Strophen verliert sich ein Hund nach dem andern, bis der letzte müde und erschöpft allein durch die Gegend trottet. Doch da entdecken ihn die neun anderen Hunden, die unterwegs verlorengegangen sind und sich inzwischen wiedergefunden haben, und nehmen auch ihn wieder auf. Und die Geschichte beginnt von Form: „Es gab mal ein Hunderudel, / das war zu zehnt unterwegs. / Darunter war auch ein Pudel, / der verschluckte sich an einem Keks.“ So geht das immer weiter. Die Geschichte habe ich mal für die Illustratorin Sabine Kranz geschrieben, als ich ihre großartigen Hundezeichnungen entdeckte. Und nun wimmelt es hier Seite für Seite von herrlichen Exemplaren. Mit Sabine Kranz habe ich schon 2018 die Anthologie „Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht“ bei dtv gemacht. Und im Herbst kommt, von ihr illustriert, mein neues Bilderbuch „In meinem Rucksack wohnt ein Tiger“ bei Sauerländer.

Gedicht des Monats Mai

Diebische Möwe

Es flog eine Möwe am Fenster vorbei
und sah eine Tüte mit Fressen,
das dort zum Kühlbleiben hing.

Ich hörte nur kurz ihren lauten Schrei,
hab lesend im Sessel gesessen,
als sie sich den Beutel fing.

Fort flog sie über die Boote am Kai,
von Lust und Hunger besessen.

Die leere Tüte zu Boden ging
und ich hatte nichts mehr zu essen.

Gedicht des Monats April

Auch im Mai kein Kindergedicht wie sonst Monat für Monat auf dieser Website. Der Krieg in der Ukraine geht weiter, der russische Überfall auf das Nachbarland zählt Tausende Tote, unendliche Zerstörung. Menschen fliehen, haben alles verloren, sitzen in Kellern fest und verhungern, verdursten. Wir schauen die Bilder von fern, aus sicherem Abstand an, staunen über die grausamen Szenen, die uns unfassbar scheinen. Alles so selbstverständlich Vertraute aus unserem Leben verliert seinen Halt. Darüber habe ich in dem Text erzählt, der nun als Gedicht für den Monat Mai steht.

Bilder

Als die Scheibe zersplitterte saßen wir nicht im Café.
Es war nicht unsere Tasse die zu Staub zersprang.
Wir waren an einem anderen Ort in einem sicheren Land.
Der Krieg sah uns aus einem Fernseher zu der an der Wand hing.
Als wir die Tassen hoben schaute er uns in die Augen,
wo sich zerbombte Fassaden spiegelten
das halbe Schild mit dem Wort Café ohne Namen
und ein angesengter Stofffetzen
dessen Muster mich an das Kleid erinnerte
in dem du durch die Tür kamst mit einem Lachen.

Gedicht des Monats März

Die letzten Februartage haben uns auf entsetzliche Weise gezeigt, wie fragil der sicher geglaubte Frieden in Europa sein kann, was es heißt, wenn jemand mit brutaler Gewalt seine Vorstellungen von der Weltordnung durchsetzen will und dabei jede Achtung vor dem Leben anderer Menschen aufgibt, die nur einen Wunsch hatten: in Frieden und Freiheit zu leben. In Europa ist Krieg! Wer hätte diesen Satz noch vor Wochen glauben wollen?

Vor zwei Jahren schrieb ich das nachstehende Gedicht. Auf einmal bekommt es eine ganz neue, ungeahnte Aktualität. Ein Gedicht hilft niemandem in der Ukraine, das Gedicht ist keine Waffe, keine Munition. Und es ist auch kein Luftschutzbunker. Aber es ist Ausdruck meiner persönlichen Fassungslosigkeit und tiefen Sorge. Und so steht im März an dieser Stelle statt des sonst üblichen Kindergedichts diesmal eines, das vielleicht eher für Erwachsene verständlich ist. Ein Gedicht ist ein Ausdruck von Freiheit. Es kann geschrieben und publiziert werden, ohne dass der Autor Angst haben muss. Wenn in der Ukraine die Staatsordnung von den russischen Invasoren gekippt und die fragile Demokratie verboten wird (so wie in Russland selbst), wird die freie Meinungsäußerung in einem Gedicht – geschrieben von einem ukrainischen Autor, einer ukrainischen Dichterin – gefährlich werden. Deshalb ist dieses Gedicht ein kleines Statement.

Häuser versetzen

Du nimmst das Haus und versetzt es
weil dich der Lichteinfall stört
du fragst weder das Haus noch das Licht
nach ihrer Meinung

Du fragst nicht den Garten
was er will
auch die Bäume hinter dem Haus nicht
oder die angrenzende Wiese

Wenn du fertig bist
und die Wege verlegt sind
wirst du den Mond so verrücken
dass er nachts auf die Terrasse scheint

Du kannst Häuser versetzen
ganze Städte vielleicht
deine Welt lässt das zu
du kennst kein Gespräch über Bäume

Du kennst das Licht nicht
das Haus ist dir egal
ihm bleibt nur die traurige Hoffnung
dass der Mond eines Tages das Meer ruft

Gedicht des Monats Februar

Warten

Am Montag fängt die Woche an,
am Dienstag ist noch nichts getan,
am Mittwoch ist’s erst halb vorbei,
der Donnerstag zieht sich wie Brei,
der Freitag ist der letzte Tag,
dann Wochenende wie ich‘s mag.