Die letzten Februartage haben uns auf entsetzliche Weise gezeigt, wie fragil der sicher geglaubte Frieden in Europa sein kann, was es heißt, wenn jemand mit brutaler Gewalt seine Vorstellungen von der Weltordnung durchsetzen will und dabei jede Achtung vor dem Leben anderer Menschen aufgibt, die nur einen Wunsch hatten: in Frieden und Freiheit zu leben. In Europa ist Krieg! Wer hätte diesen Satz noch vor Wochen glauben wollen?
Vor zwei Jahren schrieb ich das nachstehende Gedicht. Auf einmal bekommt es eine ganz neue, ungeahnte Aktualität. Ein Gedicht hilft niemandem in der Ukraine, das Gedicht ist keine Waffe, keine Munition. Und es ist auch kein Luftschutzbunker. Aber es ist Ausdruck meiner persönlichen Fassungslosigkeit und tiefen Sorge. Und so steht im März an dieser Stelle statt des sonst üblichen Kindergedichts diesmal eines, das vielleicht eher für Erwachsene verständlich ist. Ein Gedicht ist ein Ausdruck von Freiheit. Es kann geschrieben und publiziert werden, ohne dass der Autor Angst haben muss. Wenn in der Ukraine die Staatsordnung von den russischen Invasoren gekippt und die fragile Demokratie verboten wird (so wie in Russland selbst), wird die freie Meinungsäußerung in einem Gedicht – geschrieben von einem ukrainischen Autor, einer ukrainischen Dichterin – gefährlich werden. Deshalb ist dieses Gedicht ein kleines Statement.
Häuser versetzen
Du nimmst das Haus und versetzt es
weil dich der Lichteinfall stört
du fragst weder das Haus noch das Licht
nach ihrer Meinung
Du fragst nicht den Garten
was er will
auch die Bäume hinter dem Haus nicht
oder die angrenzende Wiese
Wenn du fertig bist
und die Wege verlegt sind
wirst du den Mond so verrücken
dass er nachts auf die Terrasse scheint
Du kannst Häuser versetzen
ganze Städte vielleicht
deine Welt lässt das zu
du kennst kein Gespräch über Bäume
Du kennst das Licht nicht
das Haus ist dir egal
ihm bleibt nur die traurige Hoffnung
dass der Mond eines Tages das Meer ruft